Licht und Dunkelheit

Allāh, der Allmächtige, erschuf die Wahrnehmung und den Verstand des Menschen, um diesen in die Lage zu versetzen die Wirklichkeit anhand von Gegensätzen zu begreifen. Indem wir es dem Schlechten gegenüberstellen, können wir das Gute verstehen, und ebenso die Schönheit durch das Hässliche, das Richtige durch das Falsche sowie das Licht durch die Finsternis erkennen. Menschliche Wahr­nehmung funktioniert weitgehend auf diese Weise, das heißt, durch eine Identifizierung von Objekten und Konzepten aufgrund von Gegensätzen.

Wir können die Schönheit und den Wert des Glaubens [īmān] nur durch die Hässlichkeit des Unglaubens erkennen, und der Qur’ān, der die Menschheit hin zum Licht des Glaubens und weg von der Finsternis des Unglaubens führt, vermittelt uns die Erfahrung des Lichts durch dessen Gegenüberstellung mit der Finsternis. Dabei ist die Schöpfung wie eine Art erklärender Kommentar zum Wunder des Edlen Qur’ān. Denn Allāh, der Erhabene, manifestiert sich in zweierlei Weise: Zum einen offenbart Er sich durch Sein Wort, den Heiligen Qur’ān, zum anderen offenbart Er sich in Seiner Schöpfung. Der Qur’ān ist ein Univer­sum aus Worten, die Welt, in der wir leben, ist hingegen ein wortloser Qur’ān. Die Schöpfung ist erfüllt von den göttlichen Geheimnissen der Größe Allāhs und der Manifestationen Seines Handelns. Im Mittelpunkt beider Manifestationen des Göttlichen steht der Mensch, dessen hohe Rangstellung Allāh, der Allmächtige, in folgendem Hadīth qudsī zum Ausdruck bringt:

O mein Diener! Ich habe dich für Mich selbst erschaffen; und das ge­samte Universum habe Ich für dich erschaffen. Es ist mein Recht, dass das, was Ich für dich erschaffen habe, dich nicht achtlos macht und dich von Mir fern hält, denn du wurdest für Mich erschaffen.“

Aus diesen Gründen bezeichnen die Sufis den Menschen als Quintessenz der Welt und „kleines Universum“ [‘ālam al-saghīr]. Aufgrund seiner Veranlagung neigt der Mensch sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. In seinem Innern sind gleichermaßen Licht und Dunkelheit vorhanden. Seine Verantwortung be­steht darin, dafür zu sorgen, dass das Licht des Glaubens nicht von der Finsternis des Unglaubens verdunkelt wird. Im Qur’ān wird den Gläubigen befohlen, auf den Sieg des Lichts über die Dunkelheit hinzuarbeiten – und dies nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene, um die Gesellschaft vor der Zerstörung zu bewahren. Im Edlen Qur’ān heißt es dazu:

{Sind sie denn nicht auf der Erde umhergereist, sodass sie Herzen haben könnten, um zu begreifen, und Ohren, um zu hören? Und wahrlich, es sind nicht die Augen, die blind sind, sondern es sind die Herzen in der Brust, die blind sind.} (22:46)

Und in einem weiteren Vers wird ebenfalls auf die Achtlosigkeit der Herzen eingegangen:

{Wollen sie denn den Qur’ān nicht begreifen, oder liegt es daran, dass ihre Herzen mit Schlössern versiegelt sind?} (47:24)

Die Wahrnehmung derjenigen, die in der Lage sind, in den Seiten des Univer­sums und des Qur’ān zu lesen, wird – entsprechend dem Grad der Reinheit ihrer Herzen und der Läuterung ihres Egos – von Licht durchdrungen, so dass sie die Manifestationen Allāhs, des Erhabenen, in der äußeren und in der inneren Welt erkennen können. Bedauerlicherweise verhält sich die achtlose Menschheit in einer Weise, welche das mit den Propheten beginnende Zeitalter der Erleuchtung durch Unwissenheit, Streben nach persönlichen Vorteilen oder finsteren Philosophien verdunkelt, sodass sie von der Wirklichkeit des Göttlichen abgeschnitten wird. Stattdessen vergöttern die Menschen Rang und Ansehen, materiellen Wohlstand und ähnliche vergängliche Dinge, verlassen so das Licht der göttlichen Rechtleitung und stürzen dabei in die dunklen Abgründe der Einbildungen und Phantasien ihrer Egos.

Allāh, der Erhabene, sagt im Heiligen Qur’ān: {Allāh ist das Licht der Himmel und der Erde.} (24:35) Diesem Vers ist zu entnehmen, dass jene, die Allāh nicht kennen, ohne Licht sind und deshalb nicht sehen können. Weiter können wird daraus schließen, dass Allāh für uns wünscht, dass wir ein Leben führen, welches in allen Bereichen vom Licht des Göttlichen durchdrungen ist – ganz gleich, ob es sich um gesellschaftliche oder private, geschäftliche oder wohltätige, körperliche oder geistige Dinge handelt. Und dies gilt auch im gleichen Maße für politisch Verantwortliche wie für Angestellte, Arbeiter oder Beamte – wir alle sind stets angehalten, uns an den Weg des göttlichen Lichts zu halten, der zu Allāh führt.

Bei den im Qur’ān aufgeführten Gegensatzpaaren, wie Wissen und Unwissenheit, Wahrheit und Unwahrheit, Gut und Böse, Gesundheit und Krankheit, Heil und Unheil, Gerechtigkeit und Unterdrückung, und schließlich Glaube und Unglaube gehört jeweils der erste Begriff in den Bereich des Lichts, während der zweite Dunkelheit repräsentiert. Im gesellschaftlichen Leben finden sich ebenfalls solche Paare von Gegensätzen, wie Freiheit und Unterdrückung, edler Cha­rakter und schäbiges Verhalten, Tüchtigkeit und Faulheit, Ehe und Unzucht, Mitgefühl und Teilnahmslosigkeit, Freigiebigkeit und Geiz, Versöhnlichkeit und Rachsucht und dergleichen mehr, bei denen das Licht auf der einen Seite der Dunkelheit auf der anderen gegenübersteht. Ebenso gehört der Weg selbst, den die Propheten und ihre wahren Erben, die Rechtschaffenen und aufrichtigen Gelehrten, der Menschheit weisen, indem sie die wahre Natur von Licht und Dunkelheit verkünden, in den Bereich des Lichts, während jene, die sich von ihnen abwenden oder sich ihnen entgegenstellen, in der Finsternis umherirren.

Allāh, der Erhabene, hat die Menschheit niemals ohne ein führendes Licht gelassen. Die beiden größten Lichter, die Er der Menschheit geschenkt hat, sind das Licht des Qur’ān und das Licht unseres ehrwürdigen Propheten – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden! Die Geschichte legt in höchst beeindruckender Weise Zeugnis davon ab, wie die Dunkelheit des Zeitalters der vorislamischen Unwissenheit [al-jāhiliyya] vom Licht des Propheten – Segen und Friede seien auf ihm – vertrieben wurde. Um nicht wieder in die furchterregende Dunkelheit dieser Unwissenheit zurückzufallen, müssen wir dem Licht des Qur’ān und des Gesandten Allāhs – auf ihm seien Segen und Friede – folgen. Deshalb fordert uns Allāh, der Erha­bene, im Edlen Qur’ān auf:

{Darum glaubt an Allāh und Seinen Gesandten und an das Licht, das Wir herabgesandt haben – und Allāh ist dessen kundig, was ihr tut!} (64:8)

Das Leben jener, die fernab vom Licht des Qur’ān leben, ist eine Reise in die Dunkelheit. Wir sollten uns und unsere Familien vor dieser Dunkelheit schützen, indem wir vor allem unsere Kinder den Qur’ān und die Religion lehren und ihnen die Grundlagen des Glaubens und rechtschaffenen Verhaltens vermitteln. Genau wie beim Lehren der Naturwissenschaften, kann auch ein solcher Erziehungsprozess im religiösen Bereich nicht alleine vom Elternhaus getragen werden, sondern erfordert qualifizierte Unterstützung.

Der Mensch kann nur durch Erziehung zur Vollkommenheit heranreifen. Wenn wir – im übertragenen Sinne – gesundes Saatgut in fruchtbare Erde pflanzen, die dann von gesegne­tem Regen bewässert wird, werden die daraus erwachsenden Pflanzen Früchte wahren Glaubens tragen. Dabei hängt diese Art von Fruchtbarkeit eines Menschen wesentlich von seiner spirituellen Erziehung ab. Der ehrwürdige Gesandte Allāhs – Segen und Friede seien auf ihm – riet deshalb:

Gewöhnt euren Kindern ab dem Alter von sieben Jahren an, das Gebet zu verrichten!“[1]

Dieses Hadīth weist darauf hin, dass die religiöse Erziehung bereits in jungen Jahren beginnen sollte. Denn die Lehren und der aufrichtige Rat, die ei­nem Kind zuteil werden, werden in seinem Gedächtnis bleiben, wie eine Gravur in einer Marmortafel. Wenn die Liebe zu Allāh und Seinem Propheten – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – früh in diesen jungen Herzen erweckt werden, hält dieser gute Einfluss ein Leben lang an.

Einer der Gottesfreunde, der ehrwürdige Abū Bakr al-Warrāq, schickte seinen Sohn in eine Schule, damit er dort den Qur’ān lerne. Eines Tages kam der Junge ganz bleich und verstört aus der Schule. Abū Bakr fragte ihn: „Möge es nur Gutes sein, mein Sohn: Was ist denn geschehen?“

Der Junge sagte: „O mein Vater, heute haben wir in der Schule den Vers gelernt {Wie wollt ihr euch, wenn ihr im Unglauben beharrt, vor der Strafe eines Tages schützen, an dem Kin­der zu weiß­haarigen Greisen werden?}. (73:17)

Als ich über die Bedeutung die­ser Worte nachdachte, fühlte ich große Ehrfurcht und fing vor Schrecken an zu zittern.“

Nach einer Weile schied der Junge dahin. Abū Bakr besuchte oft sein Grab und dabei klagte er zu sich selbst: „Wie lange habe ich schon Allāhs Wort rezitiert, doch wehe mir: Wie unglückselig ich doch bin, dass ich niemals die Quintessenz dieses Verses so begreifen konnte wie mein Sohn!

Der Qur’ān ist in der Tat ein gewaltiger Ozean, der die kindlichen Herzen derer, die ihn lesen, mit seinen tiefen Bedeutungen und Geheimnissen umfängt. Den Qur’ān – Allāhs letzte Offenbarung – zu rezitieren, ist zweifelsohne eine der vortrefflichsten Formen von Gottesdienst. Ihn im rituellen Gebet zu rezitieren ist so wichtig, dass ein Gebet ohne Qur’ānrezitation ungültig ist. Auf andere grundlegende Bestandteile des Gebets, wie Stehen oder die Niederwerfungen, kann unter bestimmten Bedingungen (wie z.B. im Falle von Krankheit) verzichtet werden, nicht jedoch auf die Rezitation des Qur’ān.

Darüber hinaus sollte der Qur’ān stets in schönster Weise rezitiert werden. Allāh, der Erhabene, sagt dazu: {Und rezitiere den Qur’ān in langsamer, gleichmäßig rhythmisch intonierender Weise [tartīl]} (73:4) Zudem fordert Er uns auf, Seinem Wort aufmerksam und andächtig zu lauschen: {Und wenn der Qur’ān vorgetragen wird, dann hört ihm zu und seid still, auf dass euch Barmherzigkeit zuteil werde.} (7:204) Denn still zu sein, wenn der Qur’ān vorgetragen wird, ermöglicht, ihn zu hören, das Hören führt zum Verstehen, und das Verstehen führt zu verstärktem Fließen der Ströme göttlicher Gnade und wird so zur Ursache göttlichen Erbarmens.

Der ehrwürdige Prophet Muhammad – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – bat ‘Abd Allāh ibn Mas‘ūd darum, für ihn aus dem Qur’ān zu rezitieren und lauschte ihm respektvoll, mit Tränen in den Augen, in einem Zustand großer spiritueller Freude. Eine ebenso große Freude empfinden Eltern, wenn sie hören, wie ihre Kinder die Worte des Qur’ān mit schöner Stimme und guter Aussprache rezitieren. Denn das Lesen der Worte Allāhs wird vielleicht später einmal ein Grund dafür sein, dass sie als Erwachsene zu den rechtschaffenen und wahrhaftigen Gottesdienern zählen.

Liebe und Respekt für die Eltern sind fest in der natürlichen Veranlagung des Menschen verankert, doch die Liebe zu den eigenen Kindern ist noch weitaus stärker. Deshalb warnt Allāh, der Erhabene, auf der einen Seite davor, dass die Liebe zu Kindern und Besitz, wenn sie nicht dem Wege der Wahrheit entsprechend behandelt werden, sich als Unglück oder schwere Prüfung [fitna] erweisen können, während Er andererseits rechtschaffene Kinder und Besitz, der auf dem Wege Allāhs ausgegeben wird, als Zierde bezeichnet. Unser ehrwürdiger Prophet – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – verkündete jenen Müttern und Vätern, die ihre Kinder auf diese Weise erziehen, die frohe Botschaft:

Die Eltern derjenigen, die den Qur’ān rezitieren, werden (am Jüngsten Tag) mit Kronen aus Licht gekrönt und mit Gewändern aus Licht ge­klei­det werden.“[2]

Entsprechend ihrer gottgegebenen, natürlichen Veranlagung wünschen sich alle Menschen Kinder. Wenn man jedoch genau bedenkt, welche Verantwortung damit verbunden ist, seine Kinder zu rechtschaffenen Menschen zu erziehen, könnte man leicht eine Gänsehaut kriegen. Doch im Gegenteil: Seine Kinder im Sinne des Daseinszwecks der Menschen – ihrem Herrn zu dienen, auf dass sie Ihn erkennen – zu erziehen ist ein Quell unbezahlbaren Gewinns für den Menschen. Alle Anstrengungen, die dazu dienen, den Lebensunterhalt der Familie aufzubringen und den Kindern eine spirituelle Erziehung angedeihen zu lassen, werden den Eltern in der göttlichen Gegenwart als gute Taten oder als Wiedergutmachung für ihre Sünden angerechnet. Wenn dann die Kinder zu rechtschaffenen und wahrhaftigen Menschen herangewachsen sind, werden sie im Jenseits wie ein schützender Vorhang sein, der ihre Eltern vor der Strafe des Höllenfeuers bewahren kann. Unsere Kinder sind unser höchstes Gut und die größte Gunst unseres Herrn für uns. Deshalb ist es unsere Pflicht, sie vor allem, was ihnen Schaden kann – ganz besonders im spirituellen Bereich –, zu beschützen.

Selbst Tiere beschützen ihre Jungen vor allen möglichen Gefahren und legen dabei oft erstaunliche Tapferkeit an den Tag. So entwickelt beispielsweise eine Henne, die normalerweise ein eher ängstliches Tier ist, einen außergewöhnlichen Kampfesmut, wenn sie ihre Küken bedroht sieht. Doch wie können wir unsere Kinder vor Gefahren und Schädigungen bewahren? Die Aufgabe verantwortungsvoller Mütter und Väter besteht sicher nicht darin, ihren Kindern ständig mehr als notwendig an aufwendigem Essen und Getränken zu verabreichen; vielmehr sollten sie sich bemühen, ihre Kinder durch geistige Nahrung an das Erleben spiritueller Freude zu gewöhnen. Dies geschieht vor allem dadurch, ihnen den Geschmack der Liebe zu Allāh, dem Erhabenen, und Seinem ehrwürdigen Gesandten – Segen und Friede seien auf ihm – zu vermitteln und fest in ihren Herzen zu verankern. Aufgrund dieser Liebe wird es dem Kind später leicht fallen, seine religiösen Pflichten zu verrichten, während andernfalls beispielsweise das Verrichten der Gebete zu einer lästigen Pflicht wird, die nur unregelmäßig und ohne innere Befriedigung verrichtet wird, sodass ihnen der Geschmack des Gottesdienstes und dessen Süße verwehrt bleiben. Wenn wir sie nicht, wie es Zuwendung und Mitgefühl von uns verlangen, in der Welt des Qur’ān und der Sunna erziehen, ist dies eine Unterlassung, die große Dunkelheit mit sich bringt!

Ebenso sollten wir auf der Suche nach geeigneten Ehepartnern für unsere Kinder mehr Wert auf die Lichter des Glaubens und guten Charakters als auf weltliche Maßstäbe legen, denn letztendlich sind Ehen, die nicht auf den ge­meinsamen Werten des Glaubens und guten Charakters gründen, über kurz oder lang zum scheitern verurteilt, oder bedeuten ein Leben voller Sorgen und Kummer bis ins Grab.

Wir müssen unsere Kinder vor den Untugenden des modernen Lebens wie Leichtsinn, Schamlosigkeit, sinnlosem Herumlungern, Verschwendungssucht, Nachtleben, den Charakter schädigenden Medien und dergleichen mehr bewahren, indem wir ihre Seelen mit der Liebe zu Allāh, dem in Majestät Erhabenen, zum Qur’ān, zu den Gottesfreunden, Rechtschaffenen und Wahrhaftigen erfüllen, auf dass ihre Herzen vor der Dunkelheit bewahrt und durch die Tautropfen göttlichen Lichtes belebt werden.

So können sich reine Herzen, erfüllt von der Liebe zu Allāh, dem Erhabenen, und Seinem ehrwürdigen Gesandten – Allāhs Segen und Friede seien auf ihm – in einer spirituell erfüllenden Weise voller Hingabe und Demut dem Gottesdienst zuwenden und sich zur Vollkommenheit entwickeln. Ihre Herzen werden durch die Kraft des Glaubens gestärkt, sodass die Welten ihrer Seelen reich an Schätzen sind. Bei der Rezitation des Qur’ān verspüren sie eine unbeschreibliche Süße; und im Hinblick auf das, was geboten und verboten ist, sind sie äußerst gewissenhaft. Der Qur’ān sowie der Charakter des Gesandten Allāhs – Segen und Friede seien auf ihm – sind ihr Charakter.

Damit er seine Kenntnisse nicht zum Schlechten missbraucht, bedarf der Mensch des Schutzschirms religiöser und moralischer Werte. Gesellschaftliche Anarchie und das ständige Anwachsen von Verbrechen wie Vergewaltigungen, Raub und andere gesellschaftliche Krankheiten, lassen sich durch Glauben und eine Erziehung entsprechend den Werten des Qur’ān verhindern. Denn all diese Verbrechen werden von Menschen begangen, die unfähig sind, die Begierden ihres Egos zu kontrollieren; und die Charaktererziehung des Islam basiert da­rauf, den Menschen zur Kontrolle seiner Handlungen und seiner Gedanken hinzuführen. Die Lösung der aus Selbstsucht und materialistischem Streben erwachsenden Probleme findet sich ebenfalls in der religiösen Erziehung, denn der Islam betont in starkem Maße das Teilen und die Berücksichtigung der Interessen anderer. Materialismus kann sich nur dann ausbreiten, wenn die Religion fehlt; und in der Tat ist der Materialismus keine Philosophie, sondern ein Anzeichen menschlichen Niedergangs – er ist nicht Weisheit, sondern Krankheit.

In unserer heutigen Gesellschaft finden sich unter jenen Achtlosen, die keinen Glauben haben, viele, die ihren Verstand missbrauchen, oder unfähig sind, die Grenzen ihrer fünf Sinne zu erkennen. Sie meinen, alles was ihre Wahrnehmungsfähigkeit übersteigt, ablehnen zu müssen. Auf diese Art von unwissenden Leugnern geht der Qur’ān mit folgenden Worten ein:

{Sieht der Mensch denn nicht, dass Wir ihn aus einem Samentropfen erschaffen haben? Und dann erweist er sich als offenkundiger Wider­sa­cher.} (36:77)

Diese Leugner entgegnen jenen, die versuchen, sie zu ermahnen oder aufzuklären, weil die inneren Welten in ihren Herzen tot sind, mit Aussagen wie: „Wir leben im Zeitalter der Wissen­schaft, all das sind nichts anderes als alte Geschichten!“, und ähnlichen dumm-dreisten Sprüchen. Auf ihresgleichen beziehen sich die Worte Allāhs, des Erhabenen:

{Als ihre Gesandten mit deutlichen Zeichen zu ihnen kamen, frohlockten sie über ihr eigenes Wissen – bis sie dann das erfasste, worüber sie zu spotten pflegten.} (40:83)

Der größte Aktivposten, den wir unseren Kindern hinterlassen können, be­steht in einer Erziehung, die sie in die Lage versetzt, ewige Glückseligkeit im Jenseits zu erwerben! Deshalb sollten wir sie in islamische Bildungseinrichtungen schicken und damit zugleich verhindern, dass diese aus Mangel an Schülern geschlossen werden. Nur durch eine Erziehung zu den Werten des Glaubens können wir gesellschaftlichen Übeln wie Charakterlosigkeit, Unwissenheit, Terror und Anarchie Einhalt gebieten und zu einem Leben in innerem und äußerem Frieden beitragen. Und Allāh, der Erhabene, sagt: {Und Wir senden vom Qur’ān hinab, was Heilung und Barmherzigkeit für die Gläubigen ist; den Frevlern aber bringt es nur noch größeren Verlust.} (17:82), und in einem weiteren Vers heißt es: {Allāh gehören die Schätze der Himmel und der Erde. Doch die Heuchler begreifen es nicht.} (63:7)

Wir sollten deshalb nicht unseren weltlichen Interessen Vorrang gewähren, sondern unsere wichtigste Sorge sollte der Zukunft unserer Kinder im Jenseits gelten. Eine der Schwächen der muslimischen Gemeinschaft unserer Zeit be­steht darin, dass viele ihrer Mitglieder – aus einer Besessenheit von weltlichen Interessen – bei der Erziehung ihrer Kinder oft die falschen Weichen stellen. Das Zeugnis der Geschichte belegt, dass jene, die an erster Stelle bemüht waren, dem Weg Allāhs, des Erhabenen und Seines Gesandten – Segen und Friede seien auf ihm –, dem Weg der Rechtschaffenen und Wahrhaftigen zu folgen, neben dem Wohlgefallen Allāhs auch in weltlicher Hinsicht mit großen Erfolgen gesegnet wurden. Und Allāhs Gesandter – Segen und Friede seien auf ihm – verkündete: „Wahrlich, Allāh, der Erhabene, erhöht manch ein Volk durch diesen Qur’ān, während Er andere erniedrigt![3]

Diese Welt, die am stärksten von den beiden Eigenschaften des All-Gnädigen [al-Rahmān] und All-Barmherzigen [al-Rahīm] geprägt ist, gleicht einer, mit den Manifestationen aller göttlichen Namen reich gedeckten, Tafel. Während wir aufgrund der göttlichen Gunst Allāhs an dieser köstlichen Tafel sitzen dürfen, sollten wir nicht vergessen, dass wir eines Tages aufstehen und davon weggehen müssen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, uns an die an dieser Tafel geltenden Regeln zu halten. An dieser gleichnishaften Tafel erfreuen sich Recht­schaffene und Frevler gleichermaßen, doch eines Tages werden wir alle, wie es versprochen wurde und der Wahrheit entspricht, ins Jenseits hinübergehen. Dort wird Allāh, der Erhabene, der Besitzer grenzenloser Macht, Gericht halten.

Wir sollten uns selbst für unsere Handlungen zur Rechenschaft ziehen, bevor wir von Allāh im Jenseits zur Rechenschaft gezogen werden, denn der unausweichliche Tag des göttlichen Gerichts ist kein gewöhnlicher Tag. Seine Schrecken werden im Edlen Qur’ān mit den Worten beschrieben: {Wahrlich, wir fürchten von unserem Herrn einen finsteren, unheilvollen Tag!} (76:10), und: {An jenem Tage wird der Mensch sagen: „Wohin könnte ich fliehen?“} (75:10) Und Allāh, der Erhabene, warnt uns in Seiner grenzenlosen Barmherzigkeit für die Menschheit vor den Fährnissen und tragischen Ereignissen jenes Tages, damit er uns nicht unerwartet überrascht:

{O ihr, die ihr glaubt, hütet euch selbst und eure Angehörigen vor einem Feuer, dessen Brennstoff Menschen und Steine sind, über welches harte und strenge Engel wachen, die Allāh gegenüber in dem, was Er ihnen be­fiehlt, nicht ungehorsam sind, sondern stets tun, wie ihnen geheißen wird.} (66:6)

Das beste Wort ist das Wort Allāhs und die beste Rechtleitung ist der lichtstrahlende, segensreiche und gesegnete Weg des Propheten Muhammad – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden! Das beste Erbe sind diese beiden heiligen Hinterlassenschaften (d.h. der Qur’ān und der Weg des Propheten).

Möge Allāh, der Erhabene, uns Herzen gewähren, die von Gottesfurcht erfüllt sind und Ihm dienen, als würden sie Ihn sehen! Möge Allāh uns die Kraft geben, dem Weg des Qur’ān und Seines Propheten – Segen und Friede seien auf ihm – zu folgen, womit die Reise jener beginnt, die das Paradies und das göttliche Wohlgefallen Allāhs zum Ziel haben.

Und möge Allāh, der Erhabene, es uns leicht machen, die edlen Charaktereigenschaften unseres ehrwürdigen Propheten Muhammad – Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden – im Geiste islamischer Geschwisterlichkeit zu verwirk­lichen!

Āmīn!

 

[1] Überliefert von Abū Dāwūd und al-Tirmidhī in ihren beiden Sunan.

[2] Überliefert in Sunan Abī Dāwūd, Musnad Ahmad und al-Hākims Mustadrak.

[3] Überliefert in Sahīh Muslim und Ibn Mājahs Sunan.